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[Wanderlust] Costa Rica V: Dominical

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Ich lasse mir - mal wieder - einen Kaffee, schwarz, aus der Maschine, die hier aufgestellt ist, für alle, weil man teilt, weil alle teilen, und öffne leise das große, metallische Tor, das das sonst so quirlige Hostel von der staubtrockenen Straße trennt. Jetzt allerdings, um diese Uhrzeit ist alles mucksmäuschenstill, nichts hört man, nur der verschlafene Nachtportier schreckt kurz hoch, zwinkert mir zu und tut so, als sei er hellwach und geschäftig.

Ich nehme meine Kaffeetasse in die Hand und laufe die wenigen Meter den Weg entlang, zum Strand. Es sind keine 2 Minuten, die mich vom Meer trennen und die Ruhe ist himmlisch. Ich laufe barfuß, will alles spüren, die harten, kleinen Steine und den weichen Sand, der noch nicht heiß ist. Später kann man kaum auf ihm laufen.
Es sind nur wenige Menschen mit mir am Strand, es ist erst 6 Uhr. Ich bin aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen. Kein besseres Morgenritual, als das Rauschen zu hören, die Luft noch klar zu schmecken, den ersten Leuten auf dem Wasser zuzusehen. Man wird hier langsam wach, spürt, testet, hört, riecht, schmeckt.

Surfen, Surfen, Surfen.


Ich schaue mir die Wellen an, die Surfer, die mit den großen Brechern so leichthändig spielen, als seien sie durch die Nacht hindurch dort hinein geboren worden. Den Kaffee leere ich, laufe zurück zum Hostel und schnappe mir auch mein Board, springe in die Wellen und versuche die kleinen Ausläufer zu kriegen.
Surfen, surfen, surfen, die ganze Zeit.
Das ist Dominical.


Hier zieht es die vielen Yogis, Surfer, Weltenbummler und Silberschmuckfans früher oder später einmal her. Wäre ich am Anfang meiner Reise hier gestrandet, hätte ich vermutlich nichts anderes mehr gesehen.
Ich habe mich direkt in den Ort verliebt, der nicht zu laut und nicht zu leise ist. Dessen Strand nicht schön, aber auch nicht hässlich ist. An dem die Leute mit ihren Bussen zwischen den Palmen stehen, am Abend auf dem kleinen Campingkocher ihr Essen zubereiten, die Türen hochklappen und dort über Nacht bleiben. Am nächsten Morgen bauen manche von ihnen einen kleinen Stand auf, verkaufen Ketten und Ringe, filzen Dreads in glatte Haare und versprühen die berühmten Easy-Vibes, die man von "diesen Hippies" erwartet.


Good life


Die Menschen hier sind entspannt, klar, sie lächeln viel, sie reden laut, sie gestikulieren wild und zeigen mir, wie leicht und schön das Leben ist, in all seinen Momenten. Dieses Gefühl, das Gefühl, dass alles gut ist, dass es mir gut geht, dass ich gut bin, so wie ich bin...
Angenommen werden und annehmen, Respekt und Toleranz, Liebe und schwarzer Kaffee, das sind die Dinge, die mir hier wichtig und vertraut geworden sind, die ich mitbringen will. Die ich in meinen Rucksack stopfen will, bis obenhin, bis das alte, kellermuffige Teil selbst nur so vor starken Gefühlen strahlt, zum Bersten gefüllt mit dem good life.

Die langen Gespräche und die merkwürdigen Momente, die blassblauen Sonnenaufgänge und die dunkelorangfarbenen Sonnenuntergänge. Das kindliche Staunen und die gleichermaßen angestaute Neugier behalten. Ob mir das gelingen wird?


Abschiede kommen immer viel zu schnell


Dominical ist ein kleiner Ort, mit einer angenehmen Mischung aus Touris und Ticos. Und gleichzeitig ist es mein letzter Ort, meine letzte Station. Deswegen werden meine Beobachtungen träger, langsamer, überschattet von dem Gedanken, dass ich bald zurück muss.
Weniger scharfsinnige, witzige Bemerkungen, die mein Verstand irgendwo in meinem Unterbewusstsein in den "Für später merken"-Notizen ablegt.
Stattdessen die Sorge, dass das kalte Deutschland mich schneller wieder in seinen Fängen hat, als ich wieder weg rennen könnte.

Trotzdem oder gerade deswegen genieße ich die Zeit umso mehr. Quatsche mit dem Gemüsehändler, setze mich zu den großen Tischen und führe philosophische Gespräche über Regierungen, Politik und Respekt, stehe früh auf und gehe noch vor dem Frühstück surfen. Ich versuche den Tag so voll wie möglich zu stopfen, damit mir nichts entgeht, kein Sonnenstrahl, keine Welle, kein Gespräch, keine Meinung.
Über diese enthusiastische Stimmung vergesse ich fast, dass es bald zurück geht und dann, nach 21 Tagen Freiheit, Reisen, Strand, Dschungel, Menschen, Illusionen und Wahrheiten, nach 21 Tagen Costa Rica ist es dann plötzlich vorbei.

Ich sitze während ich die ersten Zeilen dieses Beitrags tippe, auf einem alten Schaukelstuhl in der Unterkunft meiner letzten Nacht. Kurz werde ich unterbrochen, als mir Maurício, der hier arbeitet, eine Mandarine vom Baum pflückt und mir in den Schoß wirft. Ein zweites Mal, als eine relativ große, von irrwitzig lautem Sirren begleitete Zikade erst gegen meine Schulter fliegt und dann benommen vor mir zum Erliegen kommt, sich auf den Baum schleppt und dort festklebt.

Bevor ich in der Verfassung war zu Schreiben, saß ich auf dem Bett und habe mir ein paar Tränen von den Wangen gewischt, die gelaufen sind vor lauter emotionaler Erschöpfung.
Ich habe in so kurzer Zeit so viel Freundlichkeit und Glück, so viel Neues und Aufregendes, so viele Eindrücke inhaliert und noch nicht verarbeitet, dass jetzt alles hochkommt. Und das ist gut so.
Das tut gut.
So beende ich diese Wochen und bin dankbar, dass ich neuen Input und Erinnerungen von großer Schönheit sammeln konnte und mit nach Hause nehme, wie kleine Muscheln, die am Strand liegen, bei denen man genau hinsehen muss, um sie zu entdecken und sich dann umso mehr freut.



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